Seit Januar 2023 ist Dr. Christoph Jermann als Interimsgeschäftsführer an der HSBA. Er wurde berufen in einer Zeit des Umbruchs und schon vom ersten Augenblick an hat er mit Ruhe, Besonnenheit und Professionalität Zuversicht verbreitet und Lösungen vorangetrieben. Bis zum Amtsantritt des designierten neuen Präsidenten wird er seine Aufgabe an der Seite von Kanzler Alexander Freier noch weiterführen und sein Amt planmäßig Anfang Oktober an Prof. Dr. Tim Goydke übergeben. Wir haben mit dem promovierten Philosophen über seine Nähe zu den Vordenkern der Antike gesprochen, über sein Verständnis von guter Führung und die Bedeutung von Teamarbeit.
„Folge immer dem stärksten Argument, egal von wem es kommt“
Lieber Christoph, Du bist ein erfahrener Manager, warst lange am NIT Northern Institute of Technology Management und zuletzt an der Asklepios Medical School (AMS), bevor Du an der HSBA die Interimsposition angenommen hast. Sind die Herausforderungen und Erwartungen an einen Geschäftsführer auf Zeit andere als bei einer Festanstellung auf lange Sicht?
Ja, die sind schon anders. Leistung ist Arbeit durch Zeit. Als Geschäftsführer steht man immer unter dem Leistungsdruck zu liefern, und zwar mit hoher Schlagzahl. Als Interims-Geschäftsführer erlebe ich das noch einmal potenziert. Einerseits sind die Erwartungen hoch, es hat ja einen Grund, warum man von einem Aufsichtsrat als Interims-Geschäftsführer herbeigerufen und eingesetzt wird. Andererseits steht von Anfang an nur sehr wenig Zeit zur Verfügung, nicht einige Jahre, sondern nur einige Monate. Das hat Folgen. Sprich: Man muss zunächst einmal sehr schnell Tritt fassen, also sich erstens schnell mit den engsten Mitarbeiter_innen und dem ganzen Team vertraut machen und deren Vertrauen gewinnen, zweitens sehr schnell den Überblick gewinnen, welches die wichtigsten und dringendsten Themen sind, und dann auch den Durchblick behalten selbst bei ziemlich komplexen Themen, worum es da eigentlich geht und in welcher Richtung eine Lösung liegen könnte und die Themen bearbeitet werden sollen. Und auch nach der kurzen Einarbeitungsphase geht es mit hohem Tempo weiter. Was das Ganze handelbar macht, sind professionelle und nette Kolleg_innen, das ist an der HSBA durch die Bank gegeben, und ist die Tatsache, dass man sich als Interims-Geschäftsführer stärker auf die wichtigsten Herausforderungen fokussieren kann und muss als ein normaler Geschäftsführer, sich also in der Breite der angepackten Themen wie in der Tiefe der Bearbeitung stärker beschränkt. Ich war sehr gerne zwanzig Jahre Geschäftsführer von privaten gemeinnützigen Hochschuleinrichtungen. Aber nach einem halben Jahr Interims-Geschäftsführer muss ich sagen: das macht auch Spaß, vor allem an einer so tollen Hochschule wie der HSBA!
Als Du Dich das erste Mal den Mitarbeitenden der HSBA vorgestellt hast, hast Du ein philosophisches Zitat bemüht… „dem stärksten Argument folgen, egal von wem es kommt“. Das spiegelt Deinen besonnenen, respektvollen Führungsstil gut wider. Kannst du dazu vielleicht etwas ausholen? Woher kommt das Zitat, wieso hast Du es Dir als Leitgedanken ausgesucht, und kann man es wirklich schaffen, diesem Motto in einer Position wie Deiner treu zu bleiben?
Vielen Dank für die Blumen! Ich habe in Philosophie über Platon promoviert, der genannte Satz ist kein wörtliches Zitat, aber der zweieinhalbtausend Jahre alte Gedanke, immer das stärkste Argument zu suchen und dem dann zu folgen, geht auf Platons Lehrer Sokrates zurück, dem Platon in seinen Dialogen ein Denkmal gesetzt hat, das die abendländische Geistesgeschichte tief geprägt hat. Ich bin erst als Unternehmensberater und dann als Geschäftsführer von Bildungseinrichtungen immer mal wieder gefragt worden, ob ich dabei irgendwie von meinem Philosophiestudium profitieren konnte. Auf jeden Fall! Da gäbe es eine Menge zu sagen. Die Überzeugung, dass es gut ist, immer das stärkste Argument zu suchen, das sich in der verfügbaren Zeit finden lässt, und dem zu folgen, egal, von wem es kommt, egal, wie unbequem es sein mag, ist mir früh zu einer zentralen Lebensmaxime geworden, die auch meinen Umgang mit Menschen allgemein und speziell mein Verhalten als Vorgesetzter bestimmt. Es ist selbstverständlich möglich (und fällt mit fortschreitender Erfahrung und zunehmendem Alter auch leichter), in einer Vorgesetztenposition diesem Motto treu zu bleiben, ja es ist hier sogar besonders wichtig. Denn diese Grundeinstellung ist eine Quelle von Transparenz, Berechenbarkeit, Verlässlichkeit des Verhaltens, von Rationalität und Qualität der Arbeit sowie von Respekt und Wertschätzung im Umgang mit Anderen, seien es Mitarbeiter_innen, Kolleg_innen oder Vorgesetzte. Meine Erfahrung zeigt, dass Menschen das alles spüren und schätzen. Ich bin auf wenig in meiner Zeit in verantwortlicher Position so stolz wie auf die Menschen, die ich als Teammitglieder gewinnen und halten konnte, und auf Rückmeldungen, die ich als Führungskraft und Kooperationspartner erhalten habe.
Eigentlich könntest Du schon seit Mitte letzten Jahres, als Du aus der Geschäftsführung der AMS ausgeschieden bist, im Ruhestand sein und die Füße hochlegen. Das scheint aber nun gar nicht Deinem Naturell zu entsprechen. Erst hast Du noch ein halbes Jahr ein eLearning-Projekt für den Asklepios-Konzern weitergeführt, seit Januar und bis Ende September bist Du – und darüber freuen wir uns alle sehr – bei uns an der HSBA. Hast Du schon eine Idee, wie es danach für Dich weitergehen kann?
Erst einmal wird es mir sehr schwerfallen, mein Büro zu räumen und der HSBA und allen, die mir ans Herz gewachsen sind, Tschüss zu sagen. Aber so ist halt der Deal. Was danach kommt, ist noch nicht ganz sicher. Fest steht für mich, dass ich weiterarbeiten möchte, so lange ich dazu mental und körperlich fit genug bin und nicht anfange, anderen im Weg zu stehen. Die eher kontemplative Phase, in der ich mich wieder mehr den Büchern und dem Schreiben widme, wird dann von selber und noch früh genug kommen. Sicher werde ich mir ab Oktober mehr Zeit nehmen als aktuell für die Organisation einer Tagung und Festschrift zu Ehren meines wichtigsten philosophischen Lehrers. Und vielleicht wird zumindest aus einer der Anfragen, die ich aus zwei Bundesländern auf dem Tisch habe, ein echtes Projekt zum Aufbau einer neuen Hochschule oder einer Niederlassung einer ausländischen Universität werden. Ich bin auf jeden Fall offen für neue Herausforderungen, so wie ich immer dankbar sein werde für die Anfrage im letzten Herbst, ob ich als Interims-Geschäftsführer bei der HSBA einspringen wolle.
Dr. Christoph Jermann studierte Philosophie in Zürich und Tübingen und promovierte 1983 zur Struktur und Problematik des platonischen Idealismus. Nach diversen nationalen und internationalen Postdoc-Aktivitäten war er zehn Jahre lang für verschiedene Unternehmensberatungen in Frankfurt und Hamburg tätig. Von 2001 bis August 2013 arbeitete er in leitender Funktion am Northern Institute of Technology Management (NIT) an der TU Hamburg-Harburg, davon zehn Jahre als Geschäftsführer. Bis 2022 war er Geschäftsführer der Asklepios Medical School (AMS) in Hamburg, von Januar bis Ende September 2023 ist er Interimsgeschäftsführer der HSBA ÎçÒ¹AV.