Gibt es besondere Herausforderung bei der Bewältigung dieser Aufgabe?
Die Aufgabe ist aus vielen Gründen sehr komplex: Zunächst einmal gibt es zwar über die STCW Konvention einen globalen Rahmen für die maritime Ausbildung. In Europa aber haben wir eine bunte Vielfalt, wie dieser globale Rahmen umgesetzt wird. Jeder EU Mitgliedsstaat hat einen oft historisch geprägten eigenen Ansatz, wie Seeleute ausgebildet werden – administrativ, institutionell und pädagogisch. Das reicht von den Schulen bis an die Praxis an Bord. Daher lassen sich schon die Basisdaten aus den Mitgliedstaaten kaum vergleichen. Bevor wir etwas analysieren oder gar Verbesserungen vorschlagen, müssen wir also vor allem an den Daten arbeiten.
Im Rahmen des Arbeitspaketes 1, bei dem es um die Identifizierung von Qualifikationsanforderungen geht, wurden bereits letztes Jahr erste Ergebnisse veröffentlicht (Report Current Skills Needs, Report Future Skill and Competence Needs). Welche Fähigkeiten und Kompetenzen sind in Zukunft besonders wichtig?
Zentral geht es um drei Fähigkeiten, die wir zusammen mit dem internationalen Forscherteam hervorheben: Digitalisierung und Datenanalsyse, Greening und Nachhaltigkeit sowie Soft Skills. Diese Erkenntnisse ziehen sich dann durch die weiteren Arbeitspakete.
Die ҹAVst auch am Arbeitspaket 2 beteiligt, hier geht es um die Verbesserung der Arbeitskräftemobilität z.B. von See- zu Landberufen durch das Schließen von Qualifikationslücken. Nachdem nun die Anforderungen identifiziert wurden– wie geht es weiter? Wie können diese Fähigkeiten und Kompetenzen besser vermittelt werden?
Seeleute sind oft extrem gut ausgebildete, erfahrene und selbständige Fachleute. Sie brauchen aber Zusatzfähigkeiten, um Wissen und Erfahrung vom Schiff an Land optimal umsetzen zu können. Hier kommt der MBA-Shipping ins Spiel, mit dem wir an der HSBA europäisches Vorbild waren, um genau solche Lücken zu schließen. Wir können also unsere jahrelange Erfahrung und unser Curriculum beisteuern.
Durch die Corona Pandemie hat sich zwangsläufig einiges in Bezug auf Ausbildung und Weiterbildung verändert. Mehr online, weniger on-the-job-training. Ist das für den maritimen Sektor besonders „dramatisch“ oder sind eher sinnvolle, zukunftsweisende Veränderungen daraus hervorgegangen?
“Blended Learning” ist schon seit mindestens 20 Jahren in der maritimen Ausbildung Standard. Daher war es jetzt auch keine übermäßig große Umstellung. Seeleute haben ja sowieso zwei Ausbildungsorte: in der Schule oder Hochschule und an Bord. COVID hat nur noch einmal unterstrichen, dass die physische Präsenz in einige Bereichen durch nichts ersetzt werden kann.
Was erhoffen Sie sich von diesem Forschungsprojekt? Welche Ergebnisse sind in Ihren Augen realistisch?
Das große EU-Projekt soll am Ende eine ganz praktische Wirkung entfalten. Im Rahmen von SkillSea wollen wir der EU-Kommission eine sog. „Toolbox“ übergeben, die sowohl theoretische Empfehlungen als auch ganz praktische Curricula und Module enthält. Diese Module sind so konzipiert, dass sie auch in der europäischen Vielfalt der Ausbildungen eingesetzt werden können. Als Nebeneffekt wird der Abschlussreport auch für alle Trainingszentren wichtige und hilfreiche Empfehlungen enthalten, wie sie sich den zukünftigen Bedarfen anpassen können.
Kann das dann auch Ausstrahlung über Europa hinaus haben?
Die EU-Kommission möchte natürlich zunächst die europäischen Seeleute und die maritime Industrie hier stärken. Wichtig ist zu sehen, dass parallel mit der Überarbeitung der globalen STCW Konvention im Rahmen der Vereinten Nationen begonnen wird. Die Schifffahrt ist ja die einzige Branche, wo es so einen weltweiten Ausbildungsrahmen gibt. Wenn wir hier in Europa etwas Zeitgemäßes vorlegen, was auf die Herausforderungen der nächsten Schiffs- und Unternehmensgeneration eingeht, wird das sicher einen Einfluss über Europa hinaus haben.