„Luxus ist ruhiger geworden“, erklärt Caroline Grauel, frischgebackene Master-Alumna der HSBA. In ihrer neuen Position am Deloitte Neuroscience Institute beschäftigt sich Caroline Grauel mit Consumer Neuroscience und Consumer Behaviour, d.h. es geht darum, zu untersuchen und zu messen, welche Prozesse im Gehirn Kaufentscheidungen beeinflussen und dieses Wissen für das Marketing nutzbar zu machen. Ein Forschungsbereich, mit dem sie sich schon in ihrer Masterarbeit, die von Professorin Dr. Inga Schmidt-Ross betreut wurde, intensiv auseinandersetzte – insbesondere mit Blick auf das Luxus-Hotelgewerbe. Doch das ist noch längst nicht alles. Mit ihrem frisch aus der Taufe gehobenen Beratungsunternehmen hat sich Caroline Grauel einen weiteren Traum erfüllt und möchte eine Brücke schlagen zwischen Wissenschaft und Praxis und die in der Forschung gewonnenen Erkenntnisse insbesondere für Luxusmarken anwendbar machen. Auch eine Doktorarbeit zum Thema ist schon in Planung. Wir haben mit ihr über die Bedürfnisse von Luxuskonsument_innen von heute gesprochen, darüber, welche emotionalen Trigger bei der Kaufentscheidung und Markenwahrnehmung eine Rolle spielen, wie sich die Luxushotellerie auch online erfolgreich positionieren und abgrenzen kann und was sie unseren Studierenden mit auf den Weg geben würde.
Mit Luxus zum Erfolg
Liebe Caroline Grauel, Sie beschäftigen sich seit einiger Zeit intensiv mit Neuromarketing in Bezug auf Luxusmarken, insbesondere im Bereich Luxushotellerie. Wie ist Ihr Interesse für diese spezielle Themenkombination entstanden? Haben Sie hier eine Nische geschaffen?
Ich habe meinen Bachelor im dualen Studium bei der TUI AG absolviert und dort im Anschluss als Vorstandsassistentin im Bereich Kreuzfahrt und als Beteiligungscontrollerin im Hotelbereich gearbeitet. Mein Interesse für die Tourismusindustrie ist daher schon sehr früh geweckt worden. Im heutigen Marktumfeld habe ich den Eindruck, dass es immer schwieriger wird den Gast im Luxussegment wirklich zu begeistern, seine Erwartungen nicht nur zu erfüllen, sondern sie zu übertreffen und nachhaltig im Gedächtnis des Gastes zu bleiben. Gerade in der Luxushotellerie sind die Ansprüche sehr hoch und die Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb entscheidend.
Ich frage mich daher „Wie tickt der Luxusgast?“ „Was sind seine tiefsten Bedürfnisse?“ und beschäftige mich über den Tellerrand der Luxushotellerie hinaus auch mit grundlegenden Fragen wie „Warum konsumieren wir überhaupt Luxusgüter? Was steckt dahinter?“
Im Bereich Neuromarketing und Consumer Behaviour gibt es bereits einige Studien, die zeigen, wie und warum Kaufentscheidungen getroffen werden, welche so genannten Biases [bestimmte Verhaltensverzerrungen und -neigungen] dabei eine Rolle spielen und wie Marken durch unser Gehirn wahrgenommen werden. Speziell auf die Luxusgüterindustrie und die Luxushotellerie ausgerichtete Forschung gibt es in diesem Bereich jedoch erst wenig. In dieses Feld bin ich tiefer eingestiegen und möchte es in Zukunft weiter erschließen. Ich bin überzeugt, dass hier neue Potenziale für Luxusmarken und die Luxushotellerie liegen.
Die Definition von Luxus hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. Ergeben sich, aus Sicht einer Neuromarketing-Expertin, Unterschiede bei der Vermarktung von Luxusmarken im Vergleich zu „normalen“ Marken und Produkten? Oder anders gefragt: warum kaufen Menschen Luxusprodukte? Von welchen Faktoren ist das abhängig?
[lacht] „Das ist sehr nett von Ihnen, aber ich würde mich nicht als Neuromarketing-Expertin bezeichnen. Da gibt es viele Forscherinnen und Forscher, die viel tiefer in der Materie stecken. Ich stehe noch weit am Anfang meiner Reise. Was mich auszeichnet ist ein gutes Verständnis für die Bedürfnisse des Luxusgastes gepaart mit Neugier und der Frage nach dem „Warum“, wenn es um Kaufentscheidungen und Markenwahrnehmung im Luxussegment und der Luxushotellerie geht.
Es gibt verschiedene Theorien, warum Menschen Luxusgüter konsumieren. Aus einer verhaltenswissenschaftlichen Sicht kann der Konsum mit der Demonstration von Überlegenheit beziehungsweise dem Überleben des Stärkeren erklärt werden. Schauen wir zum Beispiel ins Tierreich: Männliche Vögel mit dem prunkvollsten Gefieder beeindrucken die Weibchen am meisten und paaren sich am ehesten, da sie Überlegenheit gegenüber ihren männlichen Rivalen zeigen. Ein gewisses „Show-Off“ Verhalten kann auch bei uns Menschen beobachtet werden. Auch Gruppenzugehörigkeit und die soziale Abgrenzung von anderen sind beeinflussende Faktoren. Insgesamt ist das Phänomen des Luxuskonsums sehr komplex und vielschichtig.
Die Forscherin Prof. Diana Derval, die an der Sorbonne Business School in Paris lehrt, fand zum Beispiel heraus, dass unsere Neigung zum Konsum von Luxusgütern als Erwachsene bereits zu einem gewissen Grad durch den Hormonspiegel im Mutterleib bestimmt wird, bevor wir überhaupt geboren werden. Je mehr Testosteron im Mutterleib vorhanden ist, desto mehr haben wir als Erwachsene das Bedürfnis uns durch Status und Konsum von anderen abzugrenzen und so unsere Überlegenheit zu demonstrieren. Ob ein erhöhter Luxuskonsum aus werteorientierter Sicht Überlegenheit gegenüber anderen Individuen zeigt, sei dabei einmal dahingestellt.
In Bezug auf die Hirnforschung konnte gezeigt werden, dass bei Kaufentscheidungen viele Faktoren einen Einfluss auf uns haben. Rationale Gründe machen zwar einen Teil unserer Entscheidungen aus, einen sehr großen Einfluss auf unsere Kaufentscheidungen haben aber auch unsere Emotionen und Prägungen. Gelingt es einer Luxusmarke unsere Emotionen und tiefsten Bedürfnisse anzusprechen, wirkt dies stark positiv verstärkend auf die Kaufentscheidung. Einen „Kaufknopf“ im Gehirn gibt es aber nicht. Dafür sind unsere Entscheidungen viel zu komplex und es spielen zu viele Faktoren mit hinein.
Letztendlich treffen viele Marketer_innen und Manager_innen von Luxushotels bereits goldrichtige Entscheidungen aus dem Bauchgefühl heraus. Wer länger in der Branche tätig ist, kennt seine Konsument_innen und deren Bedürfnisse sehr gut. Neuromarketing ist aus meiner Sicht ein weiterer, ergänzender Blickwinkel in der Markenführung und der Konsument_innenansprache. Das Gehirn des/der Luxuskonsument_in besser zu verstehen, hilft uns dabei Konsument_innen zielgerichteter anzusprechen - ohne große Streuverluste. Im Online-Kontext kann die Conversion Rate durch die Kreation gewisser so genannter Nudges, also Anreize zu einem bestimmten, gewünschten Verhalten, erhöht werden. Die Luxusmarkenwahrnehmung hat sich zudem verändert.
Die Vermarktung von Luxusmarken war jahrelang durch Exklusivität, Seltenheit und einen kleinen, elitären Kreis, der sich Luxusgüter leisten konnte, geprägt. Heute ist dies auch noch zu beobachten, was sich aber verändert, ist das Wertesystem, das hinter dem Luxuskonsum steckt. Konsumierende fragen nach dem Sinn ihres Konsums. Es geht nicht mehr um das bloße Besitztum. Seit einigen Jahren geht der Trend im Luxussegment „vom Haben zum Sein“. So wird er zumindest vielfach durch Forscher_innen und Berater_innen im Luxussegment beschrieben. Dahinter steckt das Bedürfnis neben reinen Besitztümern Erfahrungen zu konsumieren und Erlebnisse und Erinnerungen zu kreieren. Luxus ist ruhiger geworden. Zumindest in westeuropäischen Ländern. In China oder Russland mag dies noch anders sein.
Das Konsument_innenverhalten hat sich im Luxussegment in den letzten Jahren darüber hinaus erheblich weiterentwickelt. Konsument_innen möchten einen Sinn in ihrem Konsum sehen. Und ein reines Gewissen bei ihrem Konsum haben können. Produktionsbedingungen, Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung spielen heute ebenso eine Rolle beim Konsum. Die Welt des Luxuskonsums nimmt also immer mehr an Komplexität zu. Umso wichtiger ist es für Luxusmarken und Luxushotels on track zu bleiben. Manchmal sieht man durch die heutigen immer komplexer werdenden und sich schnell wandelnden Anforderungen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Ein Verständnis der Bedürfnisse und der bei Kaufentscheidungen im Gehirn ablaufenden Prozesse kann hier einen großen Mehrwert schaffen.
In Ihrer Masterarbeit* geht es konkret um die Gestaltung von Webseiten für das Luxus-Hotelgewerbe. Der Online-Vertrieb hat sich in der Luxusbranche aber tatsächlich erst sehr spät etabliert – können Sie kurz erklären warum?
Der Online-Handel hat im Luxussegment erst vergleichsweise spät Einzug gefunden, weil lange Zeit die Meinung herrschte, dass Grundpfeiler des Luxusmarketing, wie z.B. Exklusivität, Seltenheit, eine eingeschränkte Verfügbarkeit und ein gewisser Touch des Unerreichbaren nicht mit dem Online-Handel einher gehen. Es wurde eine gewisse Entmystifizierung des Luxusgutes bzw. der Luxusmarke befürchtet. Zudem lebt die Vermarktung in der Luxusgüterindustrie und vor allem in der Luxushotellerie, die in der Dienstleistungsbranche angesiedelt ist, von der persönlichen und individuellen Betreuung der Konsument_innen. Man fürchtete, dies in einem Online-Kontext nicht gewährleisten zu können. In den letzten Jahren hat sich einiges getan und Luxuskonsument_innen sind es gewohnt, online zu shoppen, ohne dass es der Markenwahrnehmung einen Abbruch tut – vorausgesetzt die Customer Journey und die dahinterstehenden Prozesse funktionieren. Gäste in der Luxushotellerie buchen heute häufig über OTAs [Online Travel Agencies] wie booking.com.
Diese Tatsache erschwert eine Differenzierung der Luxushotels voneinander. Wenn Sie beispielsweise an booking.com denken und sich dort ein Hotel heraussuchen möchten, sehen Sie dort zunächst kleine Kacheln, die die einzelnen Hotels zeigen. Auf den ersten Blick funktioniert die Differenzierung der Hotels voneinander dort über die Bewertungen, die Sternekategorie und den Preis.
Eine differenzierte Konsument_innenansprache, die womöglich die Werte des Hotels transportieren und den Luxusgast auf einer tieferen Ebene ansprechen soll, ist durch diese Darstellungsweise erschwert.
Um sich heute als Luxushotel zu differenzieren und eine den höchst anspruchsvollen Gast zufriedenstellende Customer Journey zu kreieren, sind kluge Omnichannel-Strategien gefragt, die über die Direktvermarktung qua der hotel-eigenen Website funktionieren. Das spart dem Hotel dann auch die Provision, die es an OTAs zahlen müsste.
Basierend auf Ihren Recherchen haben Sie konkrete Guidelines für die Gestaltung von Benutzeroberflächen von Luxushotel-Webseiten erstellt. Was gilt es da zu beachten, können Sie uns ein Beispiel nennen?
Es ist schwierig ein so komplexes Thema in wenigen Worten zusammenzufassen, aber ich würde kurzgefasst sagen „Keep it simple“. Überfordern Sie den Gast nicht. Zu viele Informationen, eine zu komplexe Buchungstrecke, die vielleicht wunderbar zu der Corporate Identity des Hotels passt, sich farblich in sich aber kaum abhebt oder zu viele Auswahlmöglichkeiten überfordern unser Gehirn schnell und wir verlieren die Lust und Freude an der Customer Journey. In unserer heutigen schnelllebigen Welt, bei der wir uns immer weniger Zeit für die Dinge nehmen und auch Hotelbuchungen gern „on the go“ vom Handy aus machen, ist es wichtig, dass Klarheit herrscht. Dazu kommt „ein Bild sagt mehr als tausend Worte“. Bild- und vor allem Videomaterial sprechen Emotionen verstärkt an. Es gilt aber darauf zu achten, dass wir die Kapazitäten durch zu viele (Bewegt-)Bilder nicht ans Limit bringen. Auch wenn ich zwischen Hamburg und Berlin mit der Bahn unterwegs bin und nur ein „E“ bei der Netzabdeckung habe, muss eine vorzeigbare Buchungsstrecke geladen werden können. Auch wenn der Luxusgast zweifelsfrei sehr hohe Ansprüche in puncto Design und Ästhetik hat, nützt es nichts in Schönheit zu sterben, wenn der Nutzen zu stark eingeschränkt wird. Erst einmal eine funktionierende, intuitiv zu bedienende Buchungsstrecke kreieren, und sich dann Gedanken zu Ästhetik und Design machen. Wenn man sich heutzutage abheben möchte, kommt man an klugen Omnichannel-Strategien nicht vorbei. Idealerweise kennen die Mitarbeitenden am Empfang bei Anreise durch Data Warehousing bereits die Präferenzen des Gastes und können auf ihn individuell eingehen.
Letztes Jahr haben Sie sich mit "“ selbstständig gemacht. Was steckt dahinter?
Ich möchte mich auf dem Gebiet der Konsument_innen- und Neuromarketing-Forschung im Luxussegment wissenschaftlich weiter spezialisieren. Mein Anliegen ist es mit Minding Luxury Wissenschaft und Praxis zu verzahnen und mit den gewonnenen Erkenntnissen einen Mehrwert für Luxusmarken und die Luxushotellerie zu schaffen. Ab dem Jahreswechsel möchte ich daher eine Promotion auf dem Gebiet der Luxuskonsument_innenforschung anschließen, um noch tiefer in die Thematik einzusteigen und weitere Erkenntnisse zu gewinnen. Auf meiner Webseite werde ich einige meiner Erkenntnisse im Laufe der Zeit teilen.
Möchten Sie unseren Studierenden einen Tipp, eine Inspiration mit auf den Weg geben?
Ich glaube es ist sehr wichtig ein Studienfach zu wählen, das einem Spaß macht und für dessen Inhalte man sich begeistern kann. Dann ist der Weg zur Motivation und auch zur Inspiration nicht mehr weit. Viele quälen sich in Studiengängen, die ihnen eigentlich keine Freude bereiten aus Ermangelung an alternativen Ideen oder aus Angst das Studienfach/ die berufliche Laufbahn zu wechseln und Zeit zu verlieren. Mein Tipp wäre "Probiert euch aus, bis ihr etwas findet, das euch Spaß macht. Schaut über den Tellerrand.“ Nicht jeder Tag muss eitel Sonnenschein sein, aber eine 80/20-Regel halte ich für wichtig und richtig. Das gilt auch für den späteren Job. Wenn man auf dem Weg merkt, dass es nicht das Richtige ist, sollte man sich erlauben umzurouten und sich neu auszurichten.
Ich finde es zudem wichtig sich Zeit zu nehmen. Man muss nicht alles sofort geschafft haben. Mein Opa hat zu mir schon sehr früh gesagt "Caroline, dein beruflicher Weg ist kein Sprint, sondern ein Marathon." Da steckt, wie ich mittlerweile verstehen durfte, viel Wahres drin. Es ist wichtig zu lernen mit Rückschlägen und Hürden auf dem Weg umzugehen, nicht aufzugeben, hartnäckig an seine Ziele zu glauben und sich nicht zu übernehmen. Auch mir gelingt dies leider nicht immer gut. Manche Dinge brauchen einfach Zeit, um zu reifen, und Inspiration entsteht meist besser aus der Ruhe.
Und eine letzte Frage: Was bedeutet Luxus für Sie persönlich?
Es mag klischeehaft klingen, aber für mich ist Luxus vor allem Zeit. In Ruhe einen Spaziergang um die Alster mit dem Hund zu machen - ganz ohne Termindruck - oder Zeit mit Freunden und der Familie zu verbringen... Am Ende des Tages sind es die kleinen Momente, die sich manchmal wie der größte Luxus anfühlen können. Ich gebe aber zu, auch ein Material Girl zu sein, wie man es heute nennt: Für die Luxus-Fashion Industrie und für Sportwagen habe ich tatsächlich eine Schwäche.
* User Interface Construction of Websites in the Luxury Hospitality Industry – Development of Practical Guidelines based on Consumer Behavior and Neuromarketing Study Research and Expert Interviews.