Dieser Leitfaden ist als Ausgangspunkt gedacht. Wirst Du selbst weiter in diese Richtung forschen und die Einbindung der SDGs an anderen Hochschuleinrichtung untersuchen? Oder wohin geht Deine Reise?
Ja, unbedingt möchte ich in dieser Richtung weiter forschen. Das Thema meiner Dissertation hatte zunächst keinen konkreten Nachhaltigkeitsbezug. Dank der Auseinandersetzung mit nachhaltiger Entwicklung im Rahmen meiner ersten Studie, habe ich mein Dissertationsprojekt nun noch einmal neu definiert und möchte untersuchen, was die Marketingdisziplin und insbesondere die Ausbildung von zukünftigen Marketingmanagern dazu beitragen kann, unser hochgestecktes Ziel einer nachhaltigen Gesellschaft bis 2030 zu erreichen.
Und zuletzt noch eine persönliche Frage: Natürlich kann man sich nicht immer und in jeder Situation korrekt verhalten, aber kannst Du uns ein Beispiel nennen, wie sich Dein Verhalten in Richtung Nachhaltigkeit verändert hat? Bist Du ein Change Agent geworden und konntest Du etwas auf den Weg bringen / andere motivieren?
Eine Probandin, die ich im Rahmen meiner Studie interviewt habe, hat es ganz gut auf den Punkt gebracht: Vorausgesetzt man hat bisher noch nicht sonderlich nachhaltig gelebt, ist es mit der Verhaltensänderung hin zu einem nachhaltigeren Lebensstil ein bisschen wie mit dem Abschluss einer Mitgliedschaft im Fitnessstudio. Wenn Sport vorher nicht gerade zu meiner Tagesordnung gehörte, werde ich am Anfang vielleicht höchstmotiviert jeden Tag ins Studio gehen und trainieren. Das halte ich vielleicht einige Tage oder Wochen durch, bin dann völlig erschöpft und falle plötzlich wieder zurück in mein altes Muster und gehe gar nicht mehr hin. Eigene Verhaltensmuster zu durchbrechen ist ein wahnsinnig langwieriger Prozess und gerade in Bezug auf Nachhaltigkeit gilt es ja oft, auf die ein oder andere Annehmlichkeit zu verzichten. Daher sind für mich kleine Schritte der Weg zum Ziel: Ich habe meinen Fleischkonsum enorm reduziert und wenn ich doch einmal Fleisch esse, dann kaufe ich ausschließlich direkt beim Bauern. Und für mein Frühstücksei halte ich jetzt Hühner in meinem Garten. Ich achte neben der regionalen Herkunft der Produkte beim Kochen allgemein stärker darauf, dass ich auch wirklich nur so viel zubereite, wie ich überhaupt essen kann, um möglichst nichts wegzuschmeißen. Auf Kurzstrecken habe ich das Auto gegen das Fahrrad eingetauscht oder gehe direkt zu Fuß. Für längere Strecken versuche ich, wo möglich, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, aber da ich relativ ländlich lebe, kann ich nicht ganz auf den Luxus des eigenen Autos verzichten. Da neben der ökologischen Nachhaltigkeit auch die soziale Nachhaltigkeit eine wichtige Säule bildet und Zugang zu Bildung sogar als ein SDG definiert ist, bin ich mir außerdem bewusst geworden, dass ich dank meines ehrenamtlichen Engagements als Nachhilfelehrerin schon länger einen klitzekleinen Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit leiste.
Gerade diese Vielfalt von Nachhaltigkeit versuche ich in Gesprächen mit meinem Umfeld zu beleuchten. Meine Forschung und theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema geben mir immer mehr Argumente und Wissen in Bezug auf Nachhaltigkeit an die Hand, die ich dann mit Familie, Freunden oder Kolleg_innen diskutieren kann. Auch damit kann man einen Beitrag leisten, indem man andere für das Thema sensibilisiert. Insbesondere in Diskussionen werden einem aber auch oft die Grenzen des eigenen Handelns bewusst. In einem Urlaub in Spanien (auch auf das Fliegen kann ich noch nicht ganz verzichten) ist mir aufgefallen, dass es kein Pfandsystem für Plastikflaschen wie in Deutschland gibt und dass das Thema Mülltrennung quasi nicht existent ist in privaten Haushalten. Leider kenne ich mich hier thematisch auch nicht genug aus, um eine konkrete Handlungsempfehlung abzugeben, aber selbst, wenn ich einen Vorschlag hätte, wen soll ich in der spanischen Regierung anrufen? (Ich übertreibe hier natürlich bewusst.) Als nächstes Ziel habe ich mir daher gesetzt, das Thema Nachhaltigkeit noch stärker in meinem Arbeitsumfeld einzubringen. Im Rahmen meiner Promotion mache ich das ja nun schon ganz bewusst.
Als Change Agent würde ich mich zusammenfassend noch nicht sehen. Aber ich bin überzeugt, auf einem guten Weg zu sein, einmal selbst einer zu werden. Mit der Promotion ist es mein Ziel, eines Tages in die Lehre zu gehen. Bis dahin würde ich mir gern noch mehr Expertise im Bereich Nachhaltigkeitsmarketing aneignen, die ich dann an zukünftige Studierende weitergeben und sie somit hoffentlich zu Botschaftern für nachhaltige Entwicklung ausbilden kann.
*Hübscher, C.; Hensel-Börner, S. und J. Henseler (2021): Social marketing and higher education: partnering to achieve sustainable development goals, in: Journal of Social Marketing, DOI: