Sarah Jastram, HSBA Professorin für Nachhaltigkeit und Wirtschaftsethik, ist seit März 2021 Beraterin im Nachhaltigkeitsbeirat der Porsche AG. Das legt die Vermutung nahe, dass eine strategische Einbindung von Nachhaltigkeit auf Managementebene heute kein Nischenthema mehr ist, sondern mittlerweile in der Unternehmensführung vieler Branchen wirklich ernst genommen wird. Die Gründe dafür sind sicherlich vielschichtig, der Effekt bleibt zum Glück derselbe, oder? Wir haben mit Professorin Dr. Sarah Jastram darüber gesprochen, wie glaubwürdig Nachhaltigkeitsinitiativen von Unternehmen sind, welche Gründe es dafür geben kann und welchen Stellenwert Nachhaltigkeit bei unseren Studierenden im Alltag und bei der Jobauswahl einnimmt.
Sie beschäftigen sich intensiv mit Sustainable Leadership, strategischer CSR oder auch Sustainable Fashion. Zu diesen Themen lehren Sie seit über 15 Jahren und sind dadurch immer auch sehr nah an der jungen Generation dran. An der HSBA werden Studierende zu Führungskräften von morgen ausgebildet. Welchen Stellenwert nimmt Nachhaltigkeit bei ihnen ein, können Sie hier eine Entwicklung/Veränderung erkennen?
Man merkt deutlich, dass das Thema Nachhaltigkeit für die Studierenden immer relevanter wird, ja eigentlich schon selbstverständlich ist. Früher mussten wir in der Lehre noch viel Überzeugungsleistung erbringen, um zu zeigen, dass Nachhaltigkeit ein Megatrend ist und ein strategisch relevantes Thema für Unternehmen. Dies ist den Studierenden heute klar.
Wir erkennen zudem eine wachsende Nachfrage nach unserem Bachelor Schwerpunkt „Sustainable Leadership“. Die Studierenden, die diesen Schwerpunkt wählen, sind auch außerhalb der Hochschule stark engagiert. Sie interessieren sich für Nachhaltigkeitsthemen und sind generell sehr informiert. Nicht zuletzt, weil das Thema auch an den Schulen mittlerweile Eingang in die Lehrpläne gefunden hat.
Sind Unternehmen denn wirklich essenziell nachhaltiger geworden? Wird das Thema mittlerweile ganzheitlich auf strategischer Ebene mitgedacht oder ist das immer noch die Ausnahme?
Das lässt sich generell so leider nicht sagen, aber insgesamt stellen heute viel mehr Unternehmen Informationen zur Nachhaltigkeit zur Verfügung (bspw. auf ihrer Website) oder veröffentlichen einen umfassenden Nachhaltigkeitsbericht.
Wenn man sich diese Infos anschaut, wird deutlich, dass sie viel systematischer mit Inhalten angefüllt sind, um glaubwürdig zu machen, dass das Engagement von Unternehmensseite ernst gemeint ist. Meiner Meinung nach ist da zum Teil aber auch weiterhin noch Luft nach oben, insbesondere wenn es darum geht, wirklich nachhaltige Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Viele Unternehmer handeln sicherlich aus Überzeugung, aber vermutlich wird es noch andere Gründe für nachhaltiges, wirtschaftliches Handel geben, oder? Macht das im Ergebnis einen Unterschied?
Für mich persönlich ist es erstmal wichtig, dass Unternehmen Nachhaltigkeit in ihrem Handeln berücksichtigen und dass dieses Thema auf die Agenda kommt. Damit meine ich nicht nur Umweltthemen, sondern auch soziale Aspekte insbesondere in Hinblick auf internationale Wertschöpfungsketten und mögliche Menschenrechtsverletzungen.
Weshalb oder aus welchem Grund dies so ist, ob aus Überzeugung, aus strategischen Gründen oder auf Grund von Regulierungen, ist für mich erstmal nachrangig. Ich finde es gut, wenn sich Unternehmen in diesen Bereichen engagieren. Sicherlich ist es von Vorteil, wenn die Unternehmensleitung von innerer Überzeugung oder Motivation geleitet ist. Denn das sind meist die Unternehmen, die Nachhaltigkeitsthemen umso substanzieller implementieren.
Kann Nachhaltigkeit also langfristig gesehen die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens, eines Produktes sichern?
Ja, davon bin ich fest überzeugt. Denn im Umkehrschluss hat sich dies mehrfach bewahrheitet. Wenn ein Unternehmen nicht nachhaltig ausgerichtet ist, wirkt sich das erkennbar negativ auf die Wettbewerbs- und Überlebensfähigkeit aus. Nachhaltigkeit ist zu einem elementaren Bestandteil von unternehmerischem Erfolg geworden.
Also Nachhaltigkeit muss langfristig gedacht werden, nur so macht es Sinn. In Krisensituation wie bspw. jetzt in der Corona Pandemie – ist Nachhaltigkeit da das Thema, was zuerst von der strategischen Agenda verschwindet, wenn es darum geht ein Unternehmen zu retten?
Das ist eine interessante Frage, die ich mir auch gestellt habe. Aus meiner Sicht scheint es nicht so als wären Nachhaltigkeitsthemen in der Pandemie sofort von den Agenden verschwunden. Möglicherweise hatten Nachhaltigkeitsverantwortliche - wie auch andere Managerinnen und Manager - von Unternehmen, die durch die Pandemie in eine ökonomische Krise geraten sind, weniger Budget zur Verfügung. Aber ich habe noch nicht gehört, dass das Thema an sich keine Rolle mehr gespielt hätte oder bspw. eine Nachhaltigkeitsstelle gestrichen wurde.
Auch hier ist eher das Gegenteil der Fall: viele Unternehmen haben sich im Corona-Kontext engagiert oder als verantwortungsvoll gezeigt. Zu Beginn der Pandemie wurden Masken genäht & produziert, Desinfektionsmittel hergestellt, es wurde gespendet, und Unternehmen haben versucht, alle ihre Mitarbeitenden zu halten. Insofern ist Corona nicht nur ein Thema, das Nachhaltigkeit eingeschränkt hat oder hätte können, sondern auch eins, bei dem Unternehmen zeigen konnten, dass sie Verantwortung übernehmen.
Die Chancen für nachweislich nachhaltig agierende Unternehmen, qualifizierte & motivierte Nachwuchskräfte zu gewinnen, sind sicherlich deutlich besser. Oder funktioniert es eher andersrum – also Unternehmen suchen vermehrt nach Nachwuchskräften, die zu verantwortungsvoll & nachhaltig handelnden Personen ausgebildet sind?
Ja das ist richtig. Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Punkt beim Employer Branding. Personalverantwortliche bestätigen mir immer wieder, dass junge, hochqualifizierte Talente ganz klar in den Bewerbungsgesprächen Fragen zum Thema Nachhaltigkeit und unternehmerische Verantwortung stellen. Gleichzeitig sieht man aber auch, dass ethische Kompetenz wie moralisches Handeln beim Recruiting auf Unternehmensseite eine wichtige Rolle spielt. Das gilt insbesondere für Führungspositionen, bei Nachwuchskräften steht es noch nicht im Vordergrund.
Gibt es etwas, das Sie Ihren Studierenden immer mit auf den Weg geben? Was liegt Ihnen als Wirtschaftsethikerin besonders am Herzen?
Ich orientiere mich nicht an einzelnen Leitsätzen oder Gedanken, dafür sind die Gegebenheiten oft zu komplex. Aber natürlich gibt es etwas, was mir besonders wichtig ist, was ich meinen Studierenden unbedingt auf den Weg geben möchte und das ist kritisches Denken. Es geht darum grundsätzlich Dinge kritisch zu hinterfragen, bspw. was wir in der Gesellschaft vorfinden oder auch in Unternehmen, wie etwa Strukturen, Prozesse, Normen und Managemententscheidungen. Stimmt es mit unseren Vorstellungen davon überein, wie wir leben und arbeiten möchten? So kann man kritische Fragen formulieren und ggf. konstruktiv neue Wege gehen.