Wie beeinflusst die Corona-Krise den Online-Werbemarkt und den Online-Handel?
Prof. Dr. Greve: Online-Werbemarkt und Online-Handel gehören ganz klar zu den Gewinnern der Krise. Die mit COVID-19 einhergehenden Folgen des Social Distancing werden den Trend zu mehr online und mobile Commerce weiter treiben. Der Online-Werbemarkt scheint derzeit im Umbruch, so verzeichnen Google und Facebook signifikant weniger Werbeplatzbuchungen. Erklärt werden kann dies zum einen dadurch, dass Menschen momentan wenig empfänglich für eine ganze Reihe von Produkten und Dienstleistungen sind, so beispielsweise Reisen. Unternehmen hingegen sind gezwungen, ihre Ausgaben zu reduzieren und priorisieren daher ihre Marketingspendings.
Prof. Dr. Ahrholdt: Zum Online-Handel ist zu sagen, dass in der Krise Bürger mehr oder minder gezwungen waren, den Kanal zu benutzen. Darunter auch viele, die zuvor eigentlich skeptisch gegenüber dem Online-Handel eingestellt waren und nun durch vermutlich recht gute Erfahrungen zu kontinuierlichen Nutzern geworden sind.
Welche Branchen profitieren besonders von der Krise? Kaufen jetzt alle Lebensmittel online oder werden auch andere Produkte verstärkt nachgefragt?
Prof Dr. Greve: Es ist klar erkennbar, dass der Weg in den eCommerce über unterschiedlichste Produktkategorien an Geschwindigkeit gewonnen hat. Neben den Lieferdiensten für Essen wie lieferando haben viele Gastronomen in der Krise auf out-of-home umgestellt. Aber die deutlichsten Profiteure sind natürlich die großen Plattformen wie Amazon oder Otto. Zudem bieten viele Online-Marktplatz-Betreiber Händlern, die auf ihren Plattformen aktiv werden, Einstiegsrabatte. Weitere Profiteure sind Online-Streamingdienste wie Netflix oder Disney+.
Prof. Dr. Ahrholdt: Da wir in dieser Krise aber auch viel von Systemrelevanz sprechen, sollten wir im Blick behalten – und das tut meines Wissens das Kartellamt auch –, dass die großen Online-Handels-Portale nun nicht selbst systemrelevant werden und auch langfristig eine zu große Marktmacht erhalten. Ein Indiz dafür ist beispielsweise ein französisches Gerichtsurteil, dass Amazon sich nur auf die Auslieferung von Nahrungsmitteln sowie Hygiene- und Medizinartikeln beschränken musste.
Wie können Unternehmen in dieser Zeit verstärkt auf sich aufmerksam machen? Wo und wie sollten sie ihre Werbung jetzt schalten?
Prof. Dr. Greve: Klassisches Marketing wird während und nach Corona weiter an Bedeutung verlieren. Bereits heute haben Unternehmen erkannt, dass offline Werbekampagnen mit einem sehr langen Planungsvorlauf heutzutage keine Berechtigung mehr haben. Schnelle Reaktionszeit und Anpassungsfähigkeit sind der Schlüssel zum Erfolg – und das bietet Online Marketing.
Gibt es Online-Marketing-Kanäle, auf die man jetzt besonders setzen sollte (SEM, Display, E-Mail-Marketing)?
Prof. Dr Greve: Neben den bereits erprobten Kanälen haben Unternehmen während der Krise mit neuen Formaten experimentiert, um den Kontakt zu den Kunden zu halten. So bieten Live-Streams, Podcasts, Webinare oder auch Virtual-Reality-Erlebnisse eine weitere Interaktionsmöglichkeit.
Prof. Dr. Ahrholdt: Ich persönlich bin ein Fan von Suchmaschinen-Marketing. Umfragen unter Online-Marketern sehen in dieser Form ebenso wie im Social-Media-Marketing weiter großes Potential. Gerade im Bereich Suchmaschinen-Marketing solle man zukünftig mehr in Richtung „Voice“ und „Picture“ denken, denn Suchanfragen werden immer häufiger gesprochen und liegen damit in natürlicher Syntax vor; anders als abgekürzte Texteingaben über eine Tastatur.
Noch mehr Potential steckt m. E. aber in der Suche nach Produkten und Informationen mit Hilfe von Bildern. Es gibt so vieles auf der Welt, was nicht einheitlich verständlich textlich beschreibbar ist. Wie beschreibt man bspw. die Fassade oder Bauweise unseres SQUARE HSBA Innovation Hub in der Hamburger Innenstadt, falls man mehr darüber wissen möchte?
Wie ist die langfristige Perspektive? Wird alles wieder wie vor der Krise oder zeichnet sich eine langfristige Verschiebung hin zum Online-Handel ab, und was sollten Unternehmen tun, um sich auf die Zukunft vorzubereiten?
Prof. Dr. Greve: Nein, auch das Marketing wird nach Corona nicht mehr so sein, wie vor Corona. Werbetreibende werden ihre Marketingstrategie überdenken. Ich gehe davon aus, dass der Trend zu mehr Online Werbung anhalten wird. Mobile Commerce wird dominant werden. Zudem wird weitergehend das datengesteuerte und technologie-gestützte Marketing Einzug halten. Hierzu haben meine Kollegen Dennis Ahrholdt, Gregor Hopf und ich das Buch „“ herausgegeben, welches einen Überblick über die gängigsten Online-Marketinginstrumente liefert und auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse Empfehlungen für einen effektiven Einsatz dieser Instrumente gibt.
Prof. Dr. Ahrholdt: Genau, um insgesamt der starken Verschiebung der Budgets der Marketers und der Konsumenten in den Online-Bereich erfolgreich zu begegnen, kann das Buch sehr hilfreich sein!