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EU-Lieferkettengesetz: Rat und das Europäische Parlament erzielen Einigung

Kommentar von Prof. Dr. Sarah Jastram

Der Rat und das Europäische Parlament haben heute eine vorläufige Einigung über die Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich der nachhaltigen Entwicklung (CSDDD) erzielt, mit der der Schutz der Umwelt und der Menschenrechte in der EU und weltweit verbessert werden soll. In einer ersten Pressemitteilung wurden die wichtigsten Punkte skizziert. Unsere Professorin für Wirtschaftsethik und Nachhaltigkeit, Prof. Dr. Sarah Jastram, beschäftigt sich intensiv mit dem Schutz von Menschenrechten in internationalen Lieferketten und kommentiert die bisher bekannt gewordenen Details zur Einigung in kurzen Worten:

"Die Einigung ist spektakulär, da die EU beim Thema Menschenrechte in internationalen Lieferketten lange auf Freiwilligkeit der Unternehmen gesetzt hat. Europäische Unternehmen müssen nun umfangreiche Maßnahmen ergreifen und massiv auf ihre Zulieferer einwirken, sollten diese Menschenrechte bei der Wertschöpfung verletzen. Wir erleben hier einen Meilenstein und echten Paukenschlag der Europäischen Gesetzgebung."

 

Das deutsche Lieferkettengesetz ist bereits seit fast einem Jahr in Kraft und soll Unternehmen dazu verpflichten, minimale Menschenrechts- und Umweltstandards entlang ihrer Lieferkette einzuhalten. Das EU-Lieferkettengesetzt geht über das deutsche Gesetz hinaus und erfasst mehr Unternehmen. Schon im Vorfeld der Einigung hat unsere Professorin Dr. Sarah Jastram die geplante Regelung für das Science Media Center () bewertet insbesondere mit Blick auf deutsche Unternehmen.

 

Kommentar vom 11.12.2023: 

Relevanz des EU-Gesetzes

„Die europäische Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit ist ein weiterer wichtiger Bestandteil der aktuellen europäischen Regulierungswelle, die den Übergang der EU zu einer nachhaltigeren wirtschaftlichen Zukunft kraftvoll vorantreibt. Diese neue Verordnung konzentriert sich auf den Schutz von Umwelt und Menschenrechten in internationalen Lieferketten. Solche Regelungen, bei denen Unternehmen die Verantwortung für unethisches Geschäftsverhalten in Zulieferbetrieben übernehmen müssen, waren vor nicht allzu langer Zeit politisch und rechtlich schwer vorstellbar. Diese Richtlinie ist daher eindeutig ein Meilenstein auf dem Gebiet des europäischen Regierens und zeigt den starken politischen Willen und die Macht der EU, die globalisierte Wirtschaft grundlegend zu verändern.“

Auswirkungen des EU-Gesetzes auf deutsche Unternehmen

„Für die Unternehmen, einschließlich der Pioniere im Bereich der Nachhaltigkeit, hat dieses umfangreiche Regelungspaket enorme Auswirkungen auf das Management. Es erfordert wesentlich mehr Investitionen in nachhaltige Geschäftspraktiken und verändert die Art und Weise, wie Corporate Social Responsibility (CSR) und Nachhaltigkeit in Unternehmen gehandhabt werden. Es wird ein Wechsel von freiwilligen, aber oft innovativen Projekten und Strategien, die von CSR-Abteilungen gefördert werden, hin zur Einhaltung von Vorschriften vollzogen, wobei Rechtsabteilungen und Wirtschaftsprüfer nun das Thema vorantreiben. Diese Entwicklung bringt sowohl Vorteile in Form von mehr Ressourcen und höherer strategischer Relevanz als auch Nachteile durch mehr Verwaltung sowie weniger Innovation und Kreativität mit sich.“

„Ein klares Versäumnis dieser jüngsten Regulierungspakete ist die fehlende Unterstützung für Millionen von kleinen und mittleren Unternehmen, die durch Kaskadeneffekte indirekt, aber nicht weniger stark von den Richtlinien betroffen sind. Viele dieser Unternehmen sind mit der Menge und Komplexität der Daten, die sie nun ihren Geschäftspartnern zur Verfügung stellen müssen, völlig überfordert. Die EU muss eine Lösung für dieses Problem finden, und ein Aspekt dabei ist, dass eine stärkere Harmonisierung der Vorschriften dringend erforderlich ist. Die European Sustainability Reporting Standards sind ein guter Ausgangspunkt, aber es bedarf einer viel stärkeren Integration und Angleichung der Rechtsvorschriften, um Legitimität zu sichern und die Unterstützung der Unternehmen in dieser wichtigen Frage nicht zu verlieren.“

Wirksamkeit des EU-Gesetzes

„Insgesamt bleibt abzuwarten, ob all diese Regulierungsbemühungen zu den beabsichtigten positiven Auswirkungen für jene Menschen führen, deren Menschenrechte derzeit in Produktionsstätten auf der ganzen Welt verletzt werden. In diesem Zusammenhang besteht sicherlich auch ein Bedarf an mehr öffentlichen Mitteln für eine rigorose wissenschaftliche Wirkungsforschung.“


 

Weiterführende Links: 


Interview mit Prof. Dr. Sarah Jastram