Im November 2022 ist HSBA-Alumnus Jonathan Kurfess, Gründer der Marktforschungsplattform , vom Capital Wirtschaftsmagazin als eine_r der „Top 40 unter 40“ ausgewählt worden. Eine Auszeichnung, die das Magazin seit 2017 jedes Jahr an die junge Elite vergibt. Mit 23 Jahren gründete er direkt nach seinem Business Administration-Studium Appinio, die schnellste und günstigste Marktforschungsplattform der Welt. Heute leitet er ein modernes Unternehmen, dass super erfolgreich und gleichzeitig CO2 neutral ist. Ein schöner Anlass, um mit Jonathan über seinen großen Erfolg mit Appinio zu sprechen, seine Leidenschaft als Unternehmer und was ihn persönlich antreibt.
Be Gritty! Über Leidenschaft, Durchhaltevermögen und gamified Marktforschung
Du bist gerade vom Wirtschaftsmagazin Capital als einer von den „Top 40 unter 40“ ausgezeichnet worden und gehörst damit zur Jungen Elite unseres Landes. Herzlichen Glückwunsch, das ist wirklich sehr beeindruckend. Hast Du mit dieser Auszeichnung gerechnet?
Vielen Dank! Nein, gerechnet habe ich damit nicht. Aber dadurch realisiert man, dass man älter wird. Auf einmal steht da eine 40, obwohl ich ja noch näher an der 30 dran bin. Ich würde mich auch nicht zu irgendeiner Elite zählen und mag das Denken in Eliten nicht. Nichtsdestotrotz fühle ich mich natürlich sehr geehrt und bin stolz auf unser Team und alles, was wir in den vergangenen Jahren gemeinsam mit Appinio erreicht haben. Deshalb habe ich mich gefreut und freue mich natürlich umso mehr, dass die Arbeit der letzten Jahre Anerkennung findet.
Du hattest schon mit Anfang zwanzig, die Idee zu Appinio. Wie bist Du darauf gekommen? Was war der Auslöser?
Die Idee zu Appinio ist mir tatsächlich während meines Studiums an der HSBA gekommen. Da das Studium dual aufgebaut ist, habe ich irgendwann auch in der Marketingabteilung meines Kooperationsunternehmens gearbeitet. Als angehender “Marketer” war ich dabei immer wieder auf Daten aus der Marktforschung angewiesen. Nur den Prozess an die Daten zu kommen, fand ich schon damals unglaublich mühselig und sehr ineffizient. Erst mit der internen Marktforschungsabteilung zu sprechen, die dann auf ein Marktforschungsinstitut zugeht, die dann auf Dienstleister zugehen, die Teilnehmende rekrutieren, die befragt werden und wieder zurück. Der gesamte Prozess hat mehrere Wochen in Anspruch genommen, war unglaublich komplex und extrem teuer. Gleichzeitig waren die Daten extrem schlecht, weil der einzige Anreiz für die Umfrage-Teilnehmenden darin bestand, Geld zu verdienen.
Das war die Zeit als soziale Netzwerke wie Facebook oder Instagram groß wurden. Ich habe mich gewundert, wieso Menschen links und rechts anfangen, öffentlich ihre Meinung kundzugeben - ob gewollt oder nicht - nur bei Marktforschung nicht. Und wenn man es auf das Elementarste herunterbricht, ist Marktforschung genau das: Konsument_innen nach Meinungen zu fragen. Da kam mir die Idee zu Appinio - ein soziales Netzwerk für Meinungen, monetarisiert über Marktforschung. Die Idee habe ich dann auch vor meinem damaligen Arbeitgeber gepitched, der das Konzept aber nicht weiterverfolgen wollte. Nach Abschluss meines Studiums habe ich dann Appinio gegründet.
Hat Dein Studium an der HSBA Dir dabei geholfen, Deinen Traum zu verwirklichen? Oder anders gefragt, gibt es vielleicht einen besonderen Moment, einen besonderen Aspekt aus Deiner Studienzeit, der besonders hilfreich war?
Man kann schon sagen: Ohne mein duales Studium hätte ich auf jeden Fall nicht gewisse Zusammenhänge verstehen und erleben können, bspw. wie ineffizient Marktforschung funktioniert. Somit hätte ich ohne die HSBA auch niemals Appinio gegründet. Was die Gründung als solche angeht, war es viel learning by doing. Während eines dualen Studiums lernt man Vieles, außer selbst zu gründen. So war es zumindest bei mir damals. Ist ja auch nicht unbedingt Sinn und Zweck eines dualen Studiums. Aber ich muss sagen, dass die praktische Erfahrung unheimlich wertvoll und sicherlich ein Vorteil für mich war im Vergleich mit Anderen. Ich bin und bleibe ein großer Fan des dualen Studiums!
Appinio ist keine reine Survey App, sondern eher ein soziales Netzwerk für Meinung mit außergewöhnlich engagierten Nutzerinnen und Nutzern. Die Incentivierung ist eher symbolisch. Kannst Du das kurz erklären?
Gerne. Wie gerade schon kurz beschrieben, gibt es in der Marktforschung (kurz Mafo) ein ganz zentrales Problem: das Anreizsystem der Teilnehmenden. Vieles, was in der Marktforschung passiert, ist überspitzt formuliert Betrug - und fast alle wissen das auch. Denn die Teilnehmenden werden nur durch Geld dazu gebracht, Umfragen auszufüllen und an Studien teilzunehmen. Das führt dazu, dass die Datenqualität unglaublich schlecht ist, und es sehr viele sogenannte „Survey Hunter“ gibt, die fast professionell Surveys ausfüllen nur um Geld zu verdienen. Wenn die erste Frage einer Umfrage lautet: "Wie viele SUVs besitzt Du?", geben sie bspw. fünf an, weil sie dann im Anschluss höchstwahrscheinlich hochbezahlte Automobil-Mafo erhalten.
Genau das ändern wir. Marktforschung ist für unsere User gar nicht der Kern der App und nicht der Grund, wieso sie die App nutzen. Sondern weil wir ein Community-basiertes soziales Netzwerk gebaut haben, welches die User gerne nutzen. Sie öffnen gerne die App und tun gerne ihre Meinung kund. Sprich in der App werden unglaublich viele Meinungen geteilt, Fragen gestellt und User können sich vergleichen und sich untereinander befragen.
Ab und zu ist dann dort auch eine echte Mafo-Umfrage dabei. Aber da unsere User beinahe süchtig nach der App sind, füllen sie die Umfragen gerne und mit Gewissen aus. Dafür bekommen sie Coins und steigen in Levels auf. Die App ist also sehr “gamified” aufgebaut und die Coins sind eher symbolisch. Sprich für eine Umfrage bekommt man ein paar Cent. Wenn ein User genug Umfragen ausgefüllt hat, kann er/sie sich die Coins z.B. via Paypal auszahlen lassen oder auch spenden.
Das hat nicht nur den Vorteil, dass unsere Datenqualität bei Weitem besser ist als bei traditioneller Marktforschung. Wir können sie auch bedeutend günstiger anbieten und es dadurch neuen Unternehmen überhaupt erst ermöglichen Marktforschung zu betreiben. Außerdem sind wir wahnsinnig schnell. Eine national repräsentative Umfrage mit 1000 Teilnehmenden dauert bei uns weniger als 1 Stunde.
Du wolltest die Welt schon immer ein bisschen besser machen und hast es tatsächlich auch geschafft. Ihr seid heute (Stand 2022) ein C02 neutrales Unternehmen und spendet noch 1% Eures Umsatzes zur Bekämpfung des Klimawandels. Darauf kannst Du mehr als stolz sein. Wie habt Ihr das geschafft?
Genau, wir sind als Unternehmen C02 neutral und haben uns verpflichtet, 1% unseres Umsatzes dem Klimaschutz zu spenden. Wir pflanzen mit Appinio auch für jede Survey, die bei uns in Auftrag gegeben wird, einen Baum. Appinio ist „bootstrapped“, d.h. wir haben keine institutionellen Investoren an Bord, die uns sagen, was wir tun und lassen sollen. Das ermöglicht uns, Dinge anders zu machen als andere Unternehmen und Wettbewerber. Zum Beispiel 1% unseres Umsatzes zu spenden.
Mit Appinio wollen wir ein Beispiel setzen und zeigen, dass Ökologie und kommerzieller Erfolg nicht im Gegensatz zueinander stehen, sondern im Gegenteil. Nachhaltigkeit wird zwar viel diskutiert und propagiert, aber wenn wir uns anschauen, wie wir heutzutage Unternehmen aufbauen, ist das alles andere als nachhaltig. Viele nehmen einfach unglaublich viel Geld für maximales Wachstum auf und hoffen, dass es klappt. Dass es auch oft nicht klappt, sehen wir ja derzeit leider links und rechts bei den ganzen Entlassungswellen. Wir wollen beweisen, dass es auch anders geht. Bislang mit Erfolg.
Wir arbeiten auch gerade an einer eigenen Stiftung. Damit möchten wir es anderen Unternehmen noch einfacher machen es uns gleich zu tun und ebenfalls einen Teil des Umsatzes für die Umwelt zu spenden und im Gegenzug C02-Zertifikate zu erhalten. Wir wollen andere Gründer_innengenerationen und Unternehmen inspirieren, Gutes zu tun und so das System von innen heraus verändern, indem wir beweisen, dass der soziale Kapitalismus die erfolgreiche und nachhaltige, soziale und zeitgemäße Art ist, ein Unternehmen in der heutigen Welt aufzubauen und zu betreiben.
Gibt es vielleicht einen Rat, den Du unseren Studierenden mit auf den Weg geben möchtest?
Ich glaube, dass Geduld und Durchhaltevermögen oftmals unterschätzt werden. Die Reise mit Appinio war alles andere als einfach und mit viel harter Arbeit verbunden. Wir waren mehrfach kurz vor dem Exodus, weil wir kaum noch Geld auf dem Konto hatten. Hätte ich in den Momenten nicht an mich, die Idee und vor allem an das Team geglaubt, wären wir heute nicht da, wo wir sind. Im Englischen gibt es das Wort “Grit”. Grit ist die Kombination aus Passion und Durchhaltevermögen. Wenn ich Studierenden eins mitgeben könnte, dann “be gritty”. Erfolg ist viel weniger vom Talent determiniert als viele denken. Viel mehr von Passion und Durchhaltevermögen. Also gebt nicht nach den ersten Rückschlägen auf!